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Russland:Arman Sagynbayev: “Ich wurde vom FSB gefoltert”

Protest gegen den Penza-Petersburg “Terrorismus” Fall auf den Treppen der Zentrale des FBS in St. Petersburg, im Februar 2018

eingegangen am 10.9.18 auf englisch auf Contrainfo, übersetzt von ABC Wien

„Aus der Box kamen zwei Drähte“: Der im Penza-Petersburg „Terrorismus“ Fall verdächtigte Arman Sagynbayev berichtet von Folterungen des FSB [1] mit Elektroschocks im Minivan.

Antifaschist und Anarchist Arman Sagynbayev, der im Rahmen des Pensa-Petersburg „Terrorismus“ Falls verhaftet und in Untersuchungshaft genommen wurde, hat bis vor kurzem seine Schuld eingestanden. Am 04. September zog er sein Geständnis zurück und erklärte, dass er gefoltert wurde, um gegen sich selbst und andere in diesem Fall verhaftete junge Männer auszusagen und danach zu große Angst hatte, gegen die Ermittler des Falls vorzugehen. Sein Verteidiger hat ein Statement an den russischen Bundesuntersuchungsausschuss (Federal Investigative Committee) gesandt. Mediazona [2] hat Sagynbayevs Aussage, die er seinem Anwalt vorgelegt hat, veröffentlicht. Er berichtet darin, wie FSB-Agenten ihn nach seiner Festnahme in Petersburg folterten.

Im November 2017 haben Beamte des russischen FSB (Federal Security Service) illegale Ermittlungsmethoden (Folter) gegen mich angewandt. Die Umstände waren wie folgt.

Am 5. November 2017 etwa gegen 6 Uhr morgens klingelte es an einer Wohnung in […], St. Petersburg, in der ich mich gerade befand. Ich fragte, wer dort sei. Nachdem ich hörte, es sei der Nachbarschafts-Streifenbeamte (neighborhood beat cop), öffnete ich die Tür. Sobald ich die Tür öffnete, stürmten mindestens vier Männer in die Wohnung. Sie schrien mich an, sie seien vom FSB. Sie hielten mir eine Waffe (Pistole) vor das Gesicht, bevor sie mich an die Wand stellten und meine Hände hinter meinem Rücken Handschellen anlegten. Die Männer durchsuchten die Wohnung.

Als die Hausdurchsuchung beendet war, wurde ich in einen burgunderroten Minivan gebracht, der neben dem Haus der von mir angegebenen Adresse parkte. Ich kann die Marke und das Modell des Fahrzeugs nicht bestimmt benennen. Als ich im Fahrzeug war, wurde mir ein Stoffsack über den Kopf gezogen. Einer der Männer schlug mich auf Körper und Kopf, und verlangte, dass ich ihm erzähle, wo ich in St. Petersburg eigentlich wohne.

Durch den Stoff des Sacks über meinem Kopf konnte ich sehen, dass der Mann der mich schlug, dick war und blaue Augen hatte. Ich erkannte auch das Tattoo auf der Rückseite seiner linken Hand: „Für die Luftlandetruppen“ (for the Airborne Forces). Später hörte ich, wie ihn die anderen FSB-Offiziere […] nannten.

Unfähig, mich den Schlägen zu widersetzen, sagte ich ihnen, wo ich tatsächlich in St. Petersburg lebte: […]. Ich wurde zu dieser Adresse gebracht und die Männer führten eine Durchsuchung durch, ohne Durchsuchungsbeschluss und ohne offizielle Zeugen – wie vom russischen Gesetz vorgeschrieben.

Als die Durchsuchung abgeschlossen war, wurde ich wieder in den Minivan gebracht und der Sack über meinen Kopf gezogen. Irgendwann realisierte ich, dass wir St. Petersburg verließen, aber ich wusste nicht, wohin wir fuhren. Ich hatte einen Sack über meinem Kopf und war in Handschellen die gesamte Fahrt über.

Während der Fahrt bemerkte ich, dass der Mann mit dem Airborne Forces Tattoo, der mich angegriffen hatte, eine braune Box unter seinem Sitz hervorzog. Es gab zwei Schalter an den Seiten der Box. Ich kann nicht sagen, wofür die Schalter waren. Es ist möglich, dass darüber die Intensität des elektrischen Stroms eingestellt werden konnte. Aus der Box kamen zwei Drähte, die an meinen Daumen befestigt wurden. Sie sagten mir, sie würden prüfen, ob sie Strom haben oder nicht. Dann spürte ich einen quälenden Schmerz. Ich realisierte, dass sie mir Stromschläge verpassten. Währenddessen fragten mich die Männer im Fahrzeug verschiedene Fragen. Zum Beispiel sollte ich Leute identifizieren, die ich nicht kannte, und als ich sagte, ich kenne sie nicht, wurden mir Stromschläge verpasst.

Die Männer schlugen mich auch hart mit einem Gegenstand, der einem Tagesplaner ähnelte, auf den Kopf. Als sie merkten, dass ich die von ihnen benannte Person nicht identifizieren konnte, stellten sie mir andere Fragen, zum Beispiel wie man Sprengsätze herstellt und welche Teile dafür benötigt werden. Als meine Antworten sie nicht zufriedenstellten, schlugen sie mich auf den Kopf und setzten wieder Elektroschocks ein, bis ich ihnen sagte, was sie hören wollten. Sie sagten mir auch, würde ich nicht kooperieren, könnten sie mit mir und meinen Lieben tun, was auch immer sie wollen und sie würden damit durchkommen, da ich ein Terrorist sei. Sie sagten mir, sie könnten meine Freundin vergewaltigen („gang-bang“) […], ihre und meine Hände abschneiden und uns mit einem Lötkolben verbrennen.

Die Folter dauerte etwa vier Stunden – ich kann nicht genau sagen, wie lange es dauerte, da ich keine Möglichkeit hatte, auf die Uhr zu schauen und auch da ich große Schmerzen hatte.

Als ich in das Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in Penza gebracht wurde, hatte ich Verbrennungen auf meiner Hand von den Elektroschocks, es kümmerte sich aber niemand um diese Verletzungen und auch die Ärzte haben dies bei der Untersuchung nicht dokumentiert. Seit ich im Untersuchungsgefängnis in Penza inhaftiert bin, gab es keine weiteren illegalen Aktionen – Schläge, Folter, etc. – gegen mich.

Aus Angst, um das Leben meiner nahen Angehörigen, aus Angst um das Leben von […] und meinem eigenen und meiner Gesundheit die sich durch eine ernste Erkrankung verschlechtert hat, sagte ich gegen [Dimitry] Pchelintsev und mich aus, wir hätten das sogenannte Network organisiert, was aber nicht stimmt.

Rechtsanwalt Timur Miftakhutdinov: Haben Sie die von ihnen beschriebenen Umstände und die unakzeptablen Ermittlungsmethoden dem öffentlichen Verteidiger und den Ermittlungsbeamten gemeldet?

Saginbayev: Ich habe Rechtsanwältin O. V. Rakhmanova alles erzählt und ihr auch die Verletzungen an meinen Händen durch die Elektroschocks gezeigt. Aber ich lehnte es ab, eine Erklärung zu dem Vorfall abzugeben, da ich immer noch um das Leben und die Sicherheit meiner Angehörigen und der Menschen, die ich liebe, fürchtete. Ich habe also der Rechtsanwältin verboten, von diesem Vorfall zu berichten und vor allem eine Beschwerde an die Staatsanwaltschaft und das Ermittlungskomitee zu schicken. Deshalb schrieb ich Ihnen im Februar 2018, ich wäre nicht gefoltert worden.

Miftakhutdinov: Welche Position möchten Sie nun in Bezug auf den Strafprozess einnehmen?

Saginbayev: Meine Position, die ich dem Ermittlungsbeamten mitteilte als ich verhört wurde, hat sich vorerst nicht geändert. Ich bitte sie, dabei zu bleiben.

Diese Aussage unter Eid wurde am 31. Mai 2018 durchgeführt. Seitdem hat Arman Saginbayev seine Haltung geändert. Am 04. September 2018 zog er sein Geständnis zurück und entschied, eine Klage wegen Folter einzureichen.

Der Penza-Petersburg „Terrorismus“ Fall

Das Strafverfahren gegen die sogenannte „terroristische Gemeinschaft“ Network wurde vom FSB im November 2017 eingeleitet. Im Laufe eines Monats wurden Yegor Zorin, Ilya Shakursky, Vasily Kuksov, Dmitry Pchelintsev und Andrei Chernov in Penza inhaftiert. Zwei Einwohner Penzas, Maxim Ivankin und Mikhail Kulkov, haben Russland verlassen und sind nun auf der Fahndungsliste.

Im Januar 2018 wurden Viktor Filinkov und Igor Shishkin in Petersburg im gleichen Fall inhaftiert. Am 11. April 2018 wurde Anklage gegen einen weiteren Petersburger, Yuli Boyarshinov, erhoben.

Die meisten der angeklagten jungen Männer sind Antifaschisten und Anarchisten und viele von ihnen teilen die Leidenschaft für das Spiel Airsoft [3]. Der FSB behauptet, alle verhafteten Männer gehören einer Untergrundorganisation namens „Network“ an, die angeblich geplant hätten „die Bevölkerung zur weiteren Destabilisierung der politischen Situation in Russland aufzurufen“ und eine bewaffnete Revolte durch Sprengstoffanschläge im März 2018 während der Präsidentenwahl und der FIFA-Weltmeisterschaft 2018 anzuzetteln. Angeblich hätte das Network Zellen in Moskau, Petersburg, Penza und Belarus.

Die Angehörigen der Angeklagten in Penza berichteten, dass Waffen in den Häusern und Autos der jungen Männer versteckt wurden, als diese inhaftiert waren, und später gefoltert wurden. Viktor Filinkov, Dmitry Pchelintsev und Ilya Shakursky haben detaillierte Berichte über ihre Folter durch den FSB vorgelegt. Ilya Kapustin, der als Zeuge freigelassen wurde, sprach auch davon, während einem Verhör durch den FSB Elektroschocks bekommen zu haben. Wie auch Filinkovs Frau Alexandra reiste Kapustin anschließend nach Finnland, wo er politisches Asyl beantragte.

Laut Pchelintsev und Shakursky wurden sie im Untergeschoss des Untersuchungsgefängnisses in Penza durch FSB-Beamten mit Elektroschocks gefoltert. Shishkin machte keine Aussage über Folter, obwohl Ärzte einen Bruch der unteren Wand seiner Augenhöhle sowie mehrere Prellungen und Abschürfungen feststellten. Mitglieder der Petersburger Untersuchungskommission bemerkten bei einem Besuch Shishkins in der Untersuchungshaft zahlreiche Spuren an seinem Körper, die wie elektrische Verbrennungen aussahen.

Das Untersuchungskomitee weigert sich ein Strafverfahren im Zusammenhang mit den Foltervorwürfen von Filink und Kapustin einzuleiten. Der leitende Ermittler entschied, der Taser sei in Filinkovs Fall zurecht eingesetzt worden und die Flecken auf Kapustins Körper seien durch Flohbisse und nicht durch elektrische Verbrennungen verursacht worden.

Valery Tokarev leitet das Team von Ermittlern in diesem Fall in Penza, während in Petersburg die Ermittlungen durch Gennady Belyaev geleitet werden.

Die Angehörigen der Angeklagten haben ein Unterstützungskomitee gebildet, bekannt als Eltern Network („Parents Network“).

Den Angeklagten wird laut russischem Strafgesetzbuch, Artikel 205, Absatz 4, 2 die Beteiligung an einer terroristischen Gemeinschaft, mit einem Strafmaß von fünf bis zehn Jahren, vorgeworfen.

[1] Der FSB ist der Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation. Die Übersetzung des russischen Namens bedeutet „Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation“

[2] Mediazona ist ein russisches Medienprojekt, das von Nadeshda Tolokonnikowa und Maria Aljochina – beide ehemalige Mitglieder der Punkband Pussy Riot – kurz nach deren Haftentlassung im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde. Aufgrund ihrer Erfahrungen während der Haft, in der sie nach eigenen Aussagen Missbrauch und unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt waren, liegt der Fokus des Projektes auf dem Strafvollzugs- und Justizwesen in Russland.

[3] Airsoft ist ein taktisches Geländespiel, bei dem mit Softairwaffen (Druckluftwaffen) ausgerüstete Teams gegeneinander antreten.


Was kannst du tun, um die vom FSB gefolterten und inhaftierten Antifaschisten und Anarchisten in Penza und Petersburg zu unterstützen?

Spende Geld an das Anarchist Black Cross über PayPal (abc-msk@riseup.net). Achte darauf, dass als Verwendung „Rupression“ angegeben ist.

Verbreite Infos über den Network Fall, auch bekannt als Penza-Petersburg „Terrorismus“ Fall

Mehr dazu auf der Seite von ABC Wien

Perugia, Italien: Die A.L.F. hat zwei Hunde gerettet

Am 24. Dezember wollten wir in der Provinz Perugia Weihnachten auf andere Weise feiern. So wie es alle tun sollten! Wir wollten, für zwei unschuldige Kreaturen, Freiheit und Würde wieder gewinnen.

Ihrer Haltung überdrüssig oder aufgrund anderer Gründe, hat das Herrchen sie in Käfige gesperrt und sie völlig vergessen. Nach mehreren Beschwerde, ist endlich eine zuständige Stelle an den Ort gegangen. Aber für sie war alles in Ordnung, nichts erschien seltsam.

Zwei in Käfig gehaltene Hunde schwammen buchstäblich in Scheiße, ohne Wasser oder Nahrung, verängstigt, hungernd und frierend. Aber es war alles in Ordnung!

Das Herrchen, ein früherer Polizist, hat sie (sicherlich auf den Rat von jemanden) verschwinden lassen. Aber Leute haben recherchieren können, dass er sie in einem nicht weit von seinem Wohnort gelegenen Haus von Bekannten untergebracht hat. Als wir zur Überprüfung an diesen Ort gingen, befanden wir uns vor einem 2×1 Käfig mit 5 cm Scheiße auf dem Boden. Wasser und Essen waren gefroren, es gab keinen guten Schutz. Der Käfig war vollständig der Kälte der Winternacht ausgesetzt, es gab nur noch die Reste eines kümmerlichen Zwingers, in dem sie beide erfolglos rein wollten, um etwas Wärme zu erhaschen. Einer von ihnen hatte schwere Schleimbeutelentzündung und beide hatten ihre Augen errötet von der Kälte der Nacht und Bindehautentzündung.

Wir kamen eher zufällig in der Nacht auf das Grundstück und während sie feierten, lachten und aßen und sich in der Hitze ihres Hauses freuten, kamen wir herbei und öffneten gewaltsam den Käfig, um sie rauszuholen und wegzubringen. Zu Anfang zweifelten sie, ob sie uns trauen konnten. Aber als sie erst einmal ihre Nasen aus den Käfig herausgestreckt hatten, waren sie es, die uns von diesem Ort wegzogen.

Jetzt sind beide weit weg und haben ein Haus, eine Familie, ein Sofa zum Verweilen, ein Bett zu Schlafen, ein Garten zum Spielen und Diejenigen, die ihnen Liebe schenken.

In eine Gesellschaft, in der akzeptiert ist, Tiere auf diese Art zu behandeln, kannst du nicht erwarten, dass die Institutionen eingreifen oder helfen. Wir laden alle ein, die Informationen über ähnliche Zustände haben, zuerst zu handeln.

Direkte Aktion jetzt!
A.L.F.

 

auf Griechisch

Die griechischen Knäste kochen…

sasta-salonica
Transparent in Thessaloniki, Griechenland (27.03.2014): “Alle Werte der Demokratie sind Hochsicherheitsgefängnisse”

Am 24. März 2014 gaben Gefangene aus ganz Griechenland eine Mobilisierung bekannt, um gegen die immer strengeren Haftbedingungen zu protestieren. Sie forderten, dass der Gesetzesentwurf der Regierung über die Hochsicherheitsgefägnisse zurückgezogen wird. Gemäß dieses Entwurfs würde den “gefährlichen” InsassInnen, die als ‘Kategorie C’ eingeordnet werden, kein Hafturlaub gewährt und Besuche stark eingeschränkt werden.

Am 25. März, inmitten zunehmender Spannungen in den Strafanstaltien, erstach der Verurteilte albanischer Herkunft Ilia Kareli mit einem improvisiertem Messer einen Gefängniswärter im Malandrino Gefängnis. Obwohl Kareli seit mehr als 16 Jahren gefangen war, wurde ihm jüngst Ausgang untersagt. Der tote Schließer, den die Massenmedien als Heiligen portraitierten, war ein berüchtigter, sadistischer Folterer, der Gefangene wiederholt mit Stromkabeln auspeitschte.

Am 27. März wurde Ilia Kareli in Einzelhaft im Nigrita-Gefängnis gesteckt (in der Nähe der Stadt Serres, Nord-Griechenland), wo er später tot aufgefunden wurde. Todesursache waren vielfache interne Verletzungen und massive Frakturen, die durch die wiederholten Schläge der Mörder in Uniform verursacht wurden. Mit anderen Worten: Nachdem er das armselige Leben eines Wärters ausgelöschte, wurde er von dem Knastsystem zu Tode gefoltert.

Als Antwort auf den Mord Karelis sowie den monströsen Gesetzesentwurf, der mit aller Macht gegen die Gefangenen in Griechenland durchgesetzt werden soll, fanden in mehreren Gefängnissen massive Proteste statt. In einigen Fällen wurde das Knastessen und/oder der Gang in die Zellen verweigert.

Am Sonntag Nachmittag, dem 30. März, fand eine Versammlung außerhalb des Nigrita-Gefängnisses statt, in dem Kareli tot aufgefunden wurde. Die Aktion dauerte mehr als eine Stunde an und wurde von mehr als 100 GenossInnen aus den Städten Thessaloniki, Serres und Kavala beigewohnt. Die Antwort der InsassInnen war lebhaft, da beide Seiten sich über Rufe austauschten und ihre Position gegen die Folterer und Mörder der Knastverwaltung sowie Parolen gegen Bullen artikulierten. Dabei sprachen sie ihre Solidarität mit den anhaltenden Knastkämpfen aus.

Im Laufe der Kundgebung versuchte die Verwaltung alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Kommunikation zwischen Gefangenen und solidarischen Menschen zu unterbinden. Die Knastsirenen ertönten und Bekanntmachungen [der Knastleitung] wurden kontinuierlich über Lautsprecher übertragen, damit die Gesänge nicht bis ins Innere durchdringen konnten. Die Gefangenen ließen sich von den Schikanen der Knastwärter aber nicht entmutigen: Insbesondere im C2-Flügel wurden Überwachungskameras und Fensterscheiben usw. von den InsassInnen zerstört.

Solidarität unter den Menschen, die innerhalb und außerhalb der Knastmauern revoltieren.

Internationaler Aufruf für Sonja Suder

ZWEI JAHRE KNAST SIND ZWEI JAHRE ZUVIEL!

Am 14. September 2013 mobilisieren wir international gegen die Legitimation von Folter im Prozess von Sonja Suder und für Sonjas Freiheit!

Am 14. September 2011 sind Sonja und Christian von Frankreich nach Deutschland ausgeliefert und von Bullen in den Knast gesteckt worden. Christian ist inzwischen frei, doch Sonja ist immer noch im Knast.

Die beiden hatten Deutschland 1978 verlassen, mitten im Deutschen Herbst, als alle Personen mit radikalen Ansichten fürchten mussten, das Ziel staatlicher Rache zu werden. Seit zwei Jahren wird Sonja im Hochsicherheitsknast von Frankfurt Preungesheim festgehalten; seit einem Jahr wird ihr der Prozess gemacht, der auf zwei Zeugenaussagen beruht:

Der eine belastet sie, um Kronzeugenrabatt zu erhalten, der zweite Zeuge wurde 1978 gefoltert, da er verdächtigt wurde, zu den Revolutionären Zellen (RZ) zu gehören.

Der Kronzeuge Hans-Joachim Klein hatte die Unverschämtheit, vor dem Frankfurt Landgericht eine weitere Version seiner Aussagen voller Widersprüche und Zusammenhangslosigkeiten zu erzählen (die die Richterin trotzdem gut findet).

Hermann F. dagegen hatte seine belastenden Äußerungen später zurückgenommen: Sie waren das Ergebnis von vier Monaten Folter: Direkt nach einem schweren Unfall, nach der Amputation der Beine und der Entfernung seiner Augen wurde er verhört. Sein Zustand unter Schmerzmitteln und traumatisiert nutzten die Bullen für ein 1300 Seiten langes Protokoll seiner Äußerungen. Ein Mensch in Polizeigewahrsam und ohne Rechtsanwalt, der plötzlich erblindet ist und schwer gehandikapt. Was er erlitten hat, verdient nur einen Namen: Folter.

Am 13. August 2013 hat das Frankfurter Landgericht nun die Folterprotokolle verlesen. Der 80 Jahre alten Sonja droht – mehr als 35 Jahre nach den Taten, die ihr vorgeworfen werden – die Verurteilung auf Basis dieser Erklärungen, deren Verwendung die Rechtfertigung von Folter durch die Bullen bedeutet.

Sonja wird von der deutschen Polizei seit dem Ende der 70er Jahre verfolgt und verdächtigt, Mitglied der Revolutionären Zellen gewesen zu sein. Die Anklage umfasst drei Brandanschläge im Jahr 1977, die nur begrenzten Sachschaden anrichteten: Ein Anschlag zielte auf das Unternehmen MAN, das an der Produktion von Atomwaffen für Südafrika (während der Apartheid) verdiente, ein Anschlag auf das Unternehmen KSB, das noch heute Pumpen für Atomkraftwerke herstellt; und ein Anschlag richtete sich auf das Heidelberger Schloss, aus Protest gegen die städtische Abrisspolitik. Sonja wird außerdem verdächtigt, 1975 logistische Hilfe für den Angriff auf die OPEC-Konferenz in Wien geleistet zu haben.

Heute zielt der Staat mit der Drohung, lebenslanger Haft nicht nur auf Sonja: Er will ein Stück revolutionäre Geschichte liquidieren und er will zeigen, dass man nicht ungestraft aufbegehren kann.

Die Verurteilung von Sonja ist eine Verurteilung der Revolte insgesamt: Wer sich nicht unterwirft und wer sich weigert, auszusagen. Sonjas Verurteilung wird daher einer ganzen revolutionären Bewegung gelten. Die Inhaftierung von Sonja dient zur Abschreckung all derer, die heute kämpfen. Es geht nicht nur um eine 80 Jahre alte Frau, sondern um alle, die wie sie den Willen haben, sich nicht zu unterwerfen.

FREIHEIT FÜR SONJA JETZT SOFORT!
FÜR EINE INTERNATIONALE MOBILISIERUNG ZUM 14. SEPTEMBER 2013!

Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch

Madrid: Demonstration in Gedenken an Ramón Barrios

Auf dem Poster steht:

Demonstration in Gedenken an Ramón Barrios und all die Kids, die in den Jugendstrafanstalten ihr Leben verlieren.

7. Juli 2013 um 18 Uhr. Vom Ciudad de Los Ángeles zum Agata Platz. Metro: Ciudad de Los Ángeles (Linie 3).

Der Tod von Ramón Barrios in der Jugendstrafanstalt Teresa de Calcuta liegt 2 Jahre zurück. Ramón Barrios war ein Junge aus Villaverde (Bezirk im Süden Madrids), der eine Strafe von 12 Wochenenden wegen Diebstahls absaß, obwohl er minderjährig war. Am zweiten Wochenende ging der Psychologe der Anstalt zum Haus seiner Eltern, um sie über seinen Tod zu informieren. Tod aufgrund eines Herzstillstands. Der Grund? Ist unbekannt; er bekam Angst, er war gefesselt, er starb. Es war am Morgen als das Make-up verschwand und die Zeichen der Schläge sichtbar wurden.

Offensichtlich haben sich die Bedingungen für die Kinder in diesen Anstalten grundlegend geändert. In den vergangenen paar Jahren kamen einige Misshandlungsfälle ans Tageslicht, die viel Beachtung in den Medien fanden. Trotzdem hat die Tatsache, dass die SchließerInnen vorsichtiger geworden sind, wenn sie „Zwangs“methoden anwenden, oder wenn der Richter die Anstalten für eine „Inspektion“ besucht (für gewöhnlich bekommt der Direktor der Anstalt vorher eine Ankündigung, wie im Fall der Jugendarrestanstalt Valladolid) nichts daran geändert, dass unsere Kinder immer noch eingesperrt sind. Von den Behörden unterworfen verbüßen sie Strafen im Gefängnis, wo sie unter der Aufsicht derer stehen, die für ihre Einkerkerung und „Umerziehung“ verantwortlich sind und die selbst Straffreiheit genießen.

Deshalb wollen wir mit dieser Demonstration an Ramón erinnern, weil sein Tod weder einfach ein „Exzess“ in der Anwendung einer Methode, noch ein Fehler in der Ausführung der gesetzl. Bestimmungen zur jugendlichen Schuldfähigkeit war, das heißt eines Gesetzes für Kinder und Heranwachsende unter 18 Jahren. Sein Tod war die logische Konsequenz in einer Gesellschaft, die ihre Probleme wegsperrt, die wegschaut, um nicht sehen zu müssen, dass da Menschen, Kinder unter denjenigen sind, die ihrer Freiheit beraubt werden. An Ramón zu erinnern bedeutet daran zu erinnern, dass dort immer noch junge Leute eingesperrt sind. Es bedeutet sich daran zu erinnern, dass der Staat uns unserer Fähigkeit und Möglichkeit beraubt, unser Leben und unsere Konflikte selbst zu regeln und uns dann wegsperrt. Der Staat kerkert unsere Kinder ein, unsere Brüder und Schwestern, unsere GenossInnen, unsere Enkelkinder etc. stiehlt ihnen ihre Verbindungen, Zuneigungen, Orte und Leben.

Wir glauben weder an ihre Gesetze noch an ihre Justiz. Die Antwort auf die Probleme unserer Kinder ist die Antwort auf unsere eigenen Probleme, die unserer Bezirke und Städte. Die Lösung ist nicht das Gefängnis und kann es überhaupt nicht sein. Gefängnis ist die Lösung für die Interessen der Herrschaft. Gefängnisse, die für Kinder mit eingeschlossen, verschlimmern die Entwurzlung, verursachen Leiden und Tod und zementieren Marginalisierung und Ausgrenzung.

Sie wollen die gesellschaftlichen Konflikte unter den Teppich kehren, damit sie nicht gesehen werden können, damit wir nicht über das eigentliche Problem nachdenken und wie wir es selbst lösen können. Am liebsten wäre ihnen, wenn niemand je über Ramón geredet hätte, dass niemand jemals über einen 19 jährigen Jugendlichen erfahren hätte, der eine Haftstrafe absaß und zu Tode geprügelt wurde. Wir lassen das nicht geschehen; wir werden gegen sie weiterkämpfen, gegen ihre Gefängnisse und ihre Gesellschaft. Für Ramón, für uns, für all die anderen.

Versammlung gegen Jugendstrafanstalten – centrosdemenores
Koordination der Stadtteile – coordinadoradebarrios

der Text auf Spanisch